„Der Herrgott hat einen großen Tiergarten, da gibt’s für alle was“, pflegte mein Großvater zusagen, womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass Geschmäcker durchaus sehr verschieden sein können. Trotz der großen Vielfalt fallen Menschen durch eigenwilliges Verhalten und originelle Angewohnheiten auf. Geschmack ist individuell. Geschmack ist nicht streitbar. Des einen Hochgenuss, ist möglicherweise des andern Graus. Was dem einen viel Geld wert ist möchte ein anderer nicht geschenkt. Geschmack ist aber auch ein soziokultureller Aspekt. Allein in Deutschland treten im Hinblick auf die „Geschmacks-Mentalitäten“ deutliche Unterschiede auf. Ist im Süden das malzig-süße Helle oder das Weißbier die überwiegende Wahl des Konsumenten, so ist es in Norddeutschland das herbe schlanke Pils. Je nach Region, Kultur und Gesellschaft gibt es verschiedene Geschmacksvorlieben. Mit der Beurteilung „schmeckt gut“ bzw. „schmeckt nicht“ wird ein Produkt in der Regel positiv bzw. negativ bewertet.
Jedoch wird hier nicht nur der Geschmack im Sinne der gustatorischen Wahrnehmung beurteilt, sondern vielmehr das „Geschmackserlebnis“ – die Gesamtheit der sensorischen Wahrnehmung des Menschen. Bilder, Geräusche, Geruch und Geschmack, die Temperatur oder eine Berührung – all das beeinflusst uns. Die Sinneswahrnehmung des Menschen kombiniert mit Erfahrungen und Emotionen stellt die Gesamtheit eines positiven oder negativen Erlebnisses dar, das wir an einen Geschmack knüpfen. Zum Beispiel beim Wein, der unter der griechischen Abendsonne noch so herrlich schmeckte. Der Gleiche Wein im Dezember beim Griechen in Bielefeld – nein, da schmeckt er irgendwie nicht mehr. Kein Wunder! Die Umgebung, die Wärme, das entspannte Urlaubsfeeling, all das fehlte. Erinnerungen und Emotionen spielen eine entscheidende Rolle. Die objektive Wahrnehmung des Menschen lässt sich sehr leicht durch äußere Umstände beeinflussen, die mit der „physiologischen“ Wahrnehmung nichts zu tun haben. Das kann dazu führen, dass Biere die objektiv betrachtet als „fehlerfrei, aber neutral“ einzustufen sind, je nach Verkoster hervorragend bewertet oder umgekehrt verteufelt werden. Der subjektive Einfluss kann bei einer sensorischen Beurteilung natürlich nie ganz abgestellt werden. Die Marke, der Bierstil oder einfach die persönliche Einstellung haben immer einen Einfluss. Aber das ist ok so. So ist der Mensch nun mal. Um nun eine definierte „Meinung“ über ein Produkt zu bekommen, gibt es die Lebensmittelsenorik. Diese wissenschaftliche Disziplin wird sowohl für die objektive als auch die subjektive Beurteilung und Bewertung von Lebensmittel eingesetzt.
Diese basiert auf der DIN 10950: „Wissenschaft vom Einsatz menschlicher Sinnesorgane zu Prüf- und Messzwecken.“ Mit Hilfe der fünf Sinne ist der Mensch in der Lage fünf Grundgeschmacksarten, mehr als 10.000 Geruchsstoffe, ca. 500.000 Farbnuancen sowie eine Vielzahl an Tönen und Struktureigenschaften zu unterscheiden. Jetzt kommt die Krux an der Sache: Nicht jeder Mensch kann gleich gut riechen oder schmecken! Anatomisch gesehen sind die Sinnesorgane eines jeden Menschen gleich aufgebaut. Trotzdem gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung. Sowohl die Fähigkeit einen Geruch oder Geschmack zu erkennen bzw. diesen zuzuordnen als auch die Empfindlichkeit der Sinnesorgane kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Einige Menschen haben eine sensible Zunge, andere eine sehr feine Nase. Jedoch kann die sensorische Wahrnehmung erlernt, trainieret und geschärft werden. Wichtig ist es „bewusst“ zu verkosten, um die Sinne auf gewisse Produkte und dazugehörige Leitsubstanzen zu schulen. Und nun zurück zur Bierverkostung: In unserem Falle geht es darum Bier „wissenschaftlich“ zu verkosten. Über die Wissenschaft zur Erfassung von Lebensmitteln mit ihren vielfältigen sensorischen Merkmalen und worauf diese basiert erfahren Sie mehr in dieser Beitragsserie hier auf Bierhandwerk.de.
Die Themen sind:
Geschmackserlebnis – Zusammenspiel der Sinneseindrücke
Sensorische Analyse – Definition der sensorischen Beurteilung und Prüfung
Qualitätskontrolle – Geruchs und Geschmackstoffe in Bier Teil 1 – 4
Der Arikel wurde mit der freundlichen Hilfe von Frau Dipl.-Ing. Julia Steiner, Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der TU München in Weihenstephan erstellt. Julia Steiner ist Wissenschaftlerin am Lehrstuhl und leitet die Abteilung Sensorik am Institut.