Die „Alte Mu“, der Firmensitz von Lille Bräu in Kiel, hat den Namen von der Muthesius Kunsthochschule, die hier einst angesiedelt war. Die „Alte Mu“ ist kein echtes Bürogebäude, kein echter Coworking-Space. Der Komplex aus 20 zusammengefassten Werkstätten bezeichnet sich selbst als „Impuls-Werk“ und ist definitiv einer der kreativsten Orte in Kiel. Die „Alte Mu“ ist gerade im Umbruch. Das Projekt, das eigentlich schon Ende 2015 ausgelaufen war, wurde seitens der Stadt zunächst um 18 weitere Monate verlängert. Dem „Impuls-Werk“ soll dann angeboten werden, das Gelände zu kaufen. Das führt natürlich dazu, dass die dort angesiedelten Firmen nochmal Geld in die Hand nehmen und den Standort weiter ausbauen. Auch Lillebräu wird innerhalb des Komplexes in größere Räumlichkeiten umziehen.
Anschub
Lillebräu und der Autor (Chefredakteur des Craftbeer-Magazins) sind durch einen Zufall lose verbunden. Craftbeer-Chefredakteur Boris war es nämlich, der den Jungs von Lillebräu zu ihrem ersten „Braumeister“-Set verholfen hat. Bevor es aber dazu kommen konnte, mussten zunächst viele weitere Weichen gestellt werden.
Max Kühl (31) und Florian Scheske (29) haben sich als Studenten an dem Ort kennengelernt, an dem sie auch heute an neuen Bieren tüfteln. Allerdings zu Zeiten, als die „Alte Mu“ noch nicht die „Alte Mu“, sondern Kiels Kunsthochschule war. Florian hat zunächst in Hamburg seinen Ingenieur gemacht, um dann in Kiel Industrie-Design zu studieren. Max hat nach seiner Ausbildung zum Verlagskaufmann Kommunikations-Design studiert. Beide haben im vergangenen Herbst ihre Master-Abschlüsse gemacht.
Von dort aus ist der Weg zum Bierbrauen ein relativ weiter. Beide waren aber auch schon vor der Liebe zum Craft Bier keine Kostverächter. So hatte Florian beispielsweise zuvor schon das Projekt „Kieler Honig“ gegründet und mit einem qualitativ hochwertigen – und höherpreisigen – Lebensmittel experimentiert.
Der Weg zum Bier
Florian fand den Weg zum Craft Bier über den Umweg New York. Dort trank er 2008 zum ersten mal ein Brooklyn Lager. Auf zahlreichen weiteren Reisen lernte er Braukulturen in verschiedenen Ländern kennen und war vor allem von Australien und Neuseeland fasziniert, wo man praktisch keine Bar mehr fände, wo noch Industriebier am Zapfhahn hinge.
Als Florian 2013 aus Australien zurückkam, sprachen er und Max gleich am ersten Tag über das Thema Bier und entschieden sich, den bereits angesprochenen „Braumeister“ zu kaufen. Den Monat bis zur Lieferung überbrückten die beiden mit einem Braukurs bei Fiete Matthies (Wildwuchs Brauwerk, Hamburg), einem Tasting-Kurs bei Olli Wesseloh (Kreativbrauerei Kehrwieder, Hamburg) und zahlreichen Gesprächen mit anderen Brauern. Unter anderem auf dem ersten Kieler Craftbeer Day. Danach war bei den beiden Hopfen und Malz verloren und sie verbrachten deutlich mehr Zeit mit dem Bier-Experimentieren als mit dem Studium. Das Brauen war für die beiden dabei vor allem auch ein willkommener Gegenpol zu der deutlich kopflastigeren Arbeit im Studium. Man hat am Ende der Arbeit „etwas Reales – und dann schmeckt das auch noch gut“, wie Max betont.
Die Definition von Craft Bier
Besonders im deutschen Raum ist die Definition, was denn nun eigentlich Craft Bier ist, schwierig. Während man das in den USA vor allem an der Ausstoßmenge festmacht, hat hierzulande praktisch jeder seine eigene Definition.
Für Max und Florian bedeutet es beispielsweise „nicht wirklich handwerklich hergestellt“, wobei das sicherlich eine Komponente sei. Aber ab einer gewissen Menge könne man schlicht und ergreifend nicht mehr mit handwerklicher Handabfüllung arbeiten.
Vielmehr geht es den beiden um die Auseinandersetzung mit dem Thema Bier auf eine ganzheitliche Art. Dazu gehört auch das Wiederauflebenlassen und Vorantreiben von alten Rezepten. Und natürlich Qualität und Geschmack, was wiederum den Einsatz hochwertiger Rohstoffe bedingt.
Es ist aber auch der Community-Gedanke, der Austausch zwischen den Brauern, den vor allem Florian in Australien und Neuseeland schätzen gelernt hat.