Die ersten Brauprofessoren in Weihenstephan: Schönleitner und Lintner

November 06, 2023Nour Maarouf

Das war die Lage Mitte des 19. Jahrhunderts: Bier war als Getränk oder Suppe Grundnahrungsmittel, wurde regional unterschiedlich hergestellt, wobei jede Brauerei vermutlich ihr eigenes „Geheimrezept“ hatte, in der Familie weiter tradiert und entwickelt. Bier konnte in Fässern gehandelt werden. Der Handel verlief wohl über Pferdekutschen und Binnenschifffahrt. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung der Eisenbahnlinie Nürnberg-Fürth wurden zwei Fässer Bier aus der Brauerei Lederer Bräu Nürnberg an den Wirt „Zur Eisenbahn“ nach Fürth transportiert. Brauerei war allerorts tradiertes Handwerk. Das Handwerk sollte nun unter Prof. Schönleitner und Prof. Lintner in Weihenstephan industrialisiert werden.

 

Der Standort Weihenstephan

Der Bischof Hitto von Freising gründete um 830 n. Chr. das Sankt Veit gewidmete Kloster auf dem Weihenstephaner Berg in Freising. Hier lebten unter anderem Benediktinermönche, die seit 1040 Bier herstellten. 1803 erfolgte in der bayerischen Säkularisation die Auflösung des Klosters. Besitztümer und Rechte gingen an den bayerischen Staat. Teile des Klosterkomplexes wie auch die Klosterkirche wurden abgebrochen. Die Forstschule siedelte im Herbst 1803 aus München nach Weihenstephan über. Gebäude, Stallungen, Felder und Wiesen standen nun dem landwirtschaftlichen Musterbetrieb zur Verfügung. Max Schönleitner wurde der erste Verwalter des Betriebes. Die damals fast 800 Jahre lang im Besitz des Klosters befindliche Brauerei wurde 1803 verstaatlicht. Seit 1921 heißt sie „Bayerische Staatsbrauerei“. Schon 1807 wurde der Betrieb der Forstschule und des landwirtschaftlichen Betriebes eingestellt, da viele Schüler und Lehrer als bayrische Verbündete mit Napoleon Bonaparte an den Feldzügen gegen Preußen und Russland teil nahmen und gefallen waren. Erst 1852 wurde die Landwirtschaftsschule wieder nach Weihenstephan verlegt. Der Standort Weihenstephan kann mittlerweile auf 150 Jahre akademisches Brauwesen zurückblicken.

Prof. Schönleitner, erste Brauprofessur in Weihenstephan

Dr. Max Schönleitner (25. März 1778 – 19. Juli 1831) – andere Schreibweisen: Schönleutner, Schönleithner – besuchte die Lateinschule in Prüfening. Bis 1795 war er Schüler des Wilhelmsgymnasiums in München. Am dort angeschlossenen Lyzeum studierte er vier Semester Philosophie. Nach dem Grundstudium wechselte er nach Ingolstadt, dem bayerischen Zentrum der Aufklärung, und studierte dort Jura. Er beendete sein Studium im Mai 1800 in Landshut, wohin die Fakultät verlegt worden war. Schönleitner war beim Generalkommissär von Freising, Adam von Aretin, als enger Mitarbeiter beschäftigt. Zehn Monate nach Studienende legte er 1801 das Erste juristische Staatsexamen ab. Der bayerische Kurfürst Maximilian I. Joseph entsandte Schönleitner zu einem landwirtschaftlichen Lehrkurs bei Albrecht Daniel Thaer, der 1802 in Celle ein landwirtschaftliches Lehrinstitut gründete. Durch Thaers wissenschaftlich fundierten Ansatz der Fruchtwechselwirtschaft konnten Erträge stark gesteigert und der landwirtschaftliche Anbau intensiviert werden. Durch diesen Kontakt ließ sich Schönleitner von der Landwirtschaft begeistern und kam so 1802 nach Freising. 1803 konnte er im säkularisierten Betrieb Weihenstephan seine Kenntnisse und Fertigkeiten als Verwalter und Dozent einbringen. Schönleitner errichtete den Musterlandwirtschaftsbetrieb und eröffnete die Forst- und Landwirtschaftsschule. So konnte Schönleitner in Weihenstephan den Übergang von der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtwechselwirtschaft durchsetzen. Fruchtwechselwirtschaft beinhaltet eine Fruchtfolge von Blattfrucht (Beispiel: Zuckerrüben) zu Halmfrucht (Beispiel: Sommergerste) zu Blattfrucht (Beispiel: Ackerbohnen) zu Halmfrucht (Beispiel: Winterweizen) mit einem günstigen 50:50 Verhältnis von Blattfrucht zu Halmfrucht. Unkräuter und Pflanzenschädlinge können durch eine günstige Fruchtfolge dezimiert werden. Diese Reform trug maßgeblich zum ökonomischen Wohlstand von Weihenstephan bei. Im Jahre 1810 wurde Schönleitner die Leitung der Staatsgüter Schleißheim und Fürstenried übertragen. Er verließ Weihenstephan. Seine Meriten: Sich wie Albrecht Thaer als Pionier für die rationelle Landwirtschaft eingesetzt zu haben – weg von der Verklärung des traditionellen Landlebens, hin zu einer Landwirtschaft mit betriebswirtschaftlichem Kalkül und dem Einsatz wissenschaftlich-technischer Methoden in der Landwirtschaft. Über die Bewirtschaftung der Staatsgüter verfasste Schönleitner mehrere Berichte. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse mündeten in seinem Werk „Theorie des Ackerbaues nach physikalischen, durch vieljährige Erfahrung geprüften Grundsätzen“, 1828 erschienen. Gerne hätte er seine Ideen auf die gesamte Landwirtschaft angewandt. Durch seinen frühen Tod war ihm dieses nicht mehr möglich. In seiner Schrift „Die landwirtschaftlichen Musterwirtschaften im Königreiche Bayern und ihre Gegner“, erschienen 1830, verteidigte er die produktionstechnische und wirtschaftliche Überlegenheit seiner Musterwirtschaften in Weihenstephan, Schleißheim und Fürstenried. Seine Gegner, unter anderem der Schafzüchter und Wollhändler Maximilian Speck von Sternburg aus Sachsen, sagten Schönleitner die fachliche Qualifikation für die Schafzucht ab. Sie bestritten ebenso die Vorbildfunktion wie die technische und ökonomische Überlegenheit der Musterwirtschaften.

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Absolventen das erworbene Wissen, die Technik und die Fähigkeiten nach draußen getragen haben. Die Produktionstechniken und die Erträge der kleinbäuerlichen Betriebe des 19. Jh. wurden maßgeblich verbessert. Höhere Erträge waren zwingend notwendig, um die schnell anwachsende Stadtbevölkerung ernähren zu können. Raimund Veit (1785 – 1857) war Schönleitners bedeutendster Schüler. Er führte die Landwirtschaftliche Lehranstalt in Schleißheim weiter.

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