Die Optimierung von Prozessen findet nicht nur in der Herstellung, dem Mälz- und Brauvorgang, statt. Auch in der Abfülltechnik hat es maßgebliche Entwicklungen gegeben.
Die Firma KHS ist hierfür ein Beispiel. Die Firmengründer Louis Holstein und Carl Kappert hatten die Idee, Abfüllanlagen für die neu aufgekommenen Flaschenbiere her zu stellen. Mit ihrer Vision waren sie Pioniere auf dem Gebiet.
Die Firma KHS GmbH, gegründet 1868 als Holstein & Kappert in Dortmund, hat sich 1993 mit der 1887 in Bad Kreuznach gegründeten Firma Seitz-Werke GmbH zusammen geschlossen. Seitz hatte damals innovative Filter zum Klären von Weinen entwickelt. KHS entwickelt und produziert komplette Abfüllanlagen für Glas, PET, Keg (zylindrisches Fass aus Edelstahl mit Ventil zum Anschluss an eine Zapfanlage) und Weißblechdosen. Auch das Abfüllen von ausgefallenen Aluminium-Flaschen ist möglich. Abgefüllt werden Food, Non-Food und Getränke.
Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Dortmund. Weitere Produktionsstandorte sind Kleve, Bad Kreuznach, Worms und Hamburg. Die KHS GmbH produziert außerdem in Sao Paulo (Brasilien, Waukesha/Wisconsin, Sarasota/Florida (USA, Zinacantepec (Mexiko), Ahmedabad (Indien) und Suzhou (China). In 83 Ländern weltweit gibt es Niederlassungen.
Pioniergeist seit mehr als 140 Jahren
Etwa in der Gründerzeit waren die Wirte die ersten, die Bier aus Fässern in Flaschen abfüllten. Die Nachfrage war gestiegen, Bier nicht nur in Wirtshäusern zu trinken. Dabei war der Bügelverschluss üblich, um den leichten CO2-Druck auszuhalten.
Später wurde mit der Kronkorken eingeführt, der sich nur maschinell abfüllen ließ. In Dortmund, dem Sitz der Firma Holstein & Kappert, war im 19. Jh. in der Gründerzeit das Brauereigewerbe neben Kohle und Eisenindustrie die dritte wirtschaftliche Säule. Während in Dortmund 1870 noch 140.000 Hektoliter Bier pro Jahr produziert wurden, waren es 1913 bereits 1,7 Millionen Hektoliter. Es war nur noch automatisiert möglich, solche Mengen abzufüllen. Hierbei kam der Firma Holstein & Kappert für Dortmund eine sehr große Bedeutung zu. Dortmund zählte damals zu den größten Bierproduzenten weltweit.
1957 entwickelte Holstein & Kappert für die Flaschenabfüllung ein Verfahren mittels des Vorevakuierens mit CO2-Vorspannung. So wurden für das abgefüllte Bier Werte von unter 0,1 mg Sauerstoff pro Liter erzielt, was die Haltbarkeit und die Geschmacksstabilität verbesserte. Etwa zur gleichen Zeit entwickelte Holstein & Kappert die Heißabfüllung des Bieres, um Bakterien abzutöten und die Haltbarkeit zu verlängern. Jedoch entstand dabei Überdruck in den Flaschen, Flaschenbruch und Lärmbelästigung in der Produktion, so dass dieses Verfahren alsbald aufgegeben wurde. 1975 wurde im Bereich PET die erste Flaschenblasmaschine entwickelt. Seit Anfang der 80er Jahre hatte die Firma SEN einen computergestützten Abfüllvorgang entwickelt. Die Firma SEN schloss sich 1993 mit Holstein & Kappert zur KHS Maschinen- und Anlagenbau-AG, Dortmund, zusammen. Die Aktiengesellschaft wurde 2010 zu einer GmbH umgewandelt. 2011 wurde KHS zu einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Firma Salzgitter-Klöckner-Werke GmbH. Doch zurück zum rechnergestützten Abfüllverfahrens der Firma SEN: Wurde die gewünschte Füllhöhe erreicht, schloss sich das Flüssigkeitsventil zum Einfüllen automatisch. Hierdurch wurde die Sauerstoffaufnahme während der Abfüllung weiter verringert.
Mit Stand 2013 hält die KHS GmbH 4.190 Patente und Patentanmeldungen.
Die heutigen Abfüllanlagen sind eine „Turnkey“-Lösung – sinngemäß schlüsselfertig. Der Kunde kann die Abfüllanlage sofort nach der Übernahme zur Produktion einsetzen, ohne weitere individuelle Anpassungen vornehmen zu müssen. Die Anlagen sind somit maßgeschneiderte Komplettlösungen für den jeweiligen Kunden. Dieses Vorgehen senkt Entwicklungskosten, spart Zeit und steigert den Umsatz. Werden Abfüllanlagen für einen Kunden hergestellt, versetzt sich KHS genau in dessen Lage, um die speziellen Bedürfnisse mit der Anlage zu verwirklichen.
Jede Anlage deckt in sich selbst den kompletten Prozess in der Getränkeproduktion ab. Im Bereich PET wären dieses die Herstellung der PET-Flaschen, die Abfüllung, die Etikettierung, die Verpackung, die Palettierung bis zur Inspektion und Komplettreinigung der Anlage. Es werden ganzheitliche Anlagen angeboten und neueste Entwicklungen werden berücksichtigt, um Kosten zu senken und verantwortungsvoll mit den Ressourcen wie Energie und Wasser umzugehen.
Bier wird in Glas, Keg, PET und Dosen abgefüllt. Die Standards, die in der Produktion hinsichtlich Geschmack, Eigenschaften, Haltbarkeit und Hygiene des Bieres erreicht wurden, dürfen in der Abfüllanlage nicht unterbrochen werden. Beim Abfüllen des Bieres kommt es daher auf sterile Filtrierung an. Die exakte Dosierung der Einfüllmenge muss eingehalten werden. Das Material muss so beschaffen sein, dass eine längere Haltbarkeit des Bieres in den Behältnissen gewährleistet ist.
Innovation macht nicht vor Endverbrauchern Halt
Auf der BrauBeviale 2014 wurde KHS mit dem Deutschen Verpackungspreis ausgezeichnet. Es wurde ein System entwickelt, das im Vergleich zu herkömmlichen Getränkegebinden etwa 85 % weniger Verpackungsmaterial benötigt – so die Ressourcen und die Umwelt schont und die Produktionskosten senkt. Bis zu 67 % weniger Energie werden bei der Produktion benötigt. Während die üblichen Gebinde mit Kunststoff-Folie versehen sind, halten bei dem System „Nature Multipack“ (TM) die Flaschen mit gegeneinander verdrehbaren Klebepunkten aneinander fest. Das Gebinde ist stabil genug, um die auf ihn wirkenden Kräfte auszuhalten. Neben den Klebepunkten musste nur noch ein Plastik-Tragegriff, der nicht in den Händen des Käufers beim Tragen schneidet, angebracht werden. Die Flaschen werden mit UV-Farben aus dem Vierfarbdruck bedruckt, die nicht migrieren und innerhalb von Millisekunden trocknen. Die Lösung „Nature Multipack“ ist für PET-Flaschen, Glasflaschen und Dosen umsetzbar.
Plasmax+ ist eine weitere Entwicklung aus dem PET-Bereich. Im Inneren der Flaschen wird eine hauchdünne Schicht Siliziumoxid aufgetragen. Diese hauchdünne Glasschicht schützt das Produkt. Es trägt besonders bei pH-Werten ab 4,5 zur Langzeitstabilität des Getränkes bei. Bei kohlensäurehaltigen Getränken mit hohem Innendruck, bei dem das PET einer stärkeren Belastung ausgesetzt ist, besteht durch das Plasmax+-Verfahren eine erhöhte Barrierewirkung.
Mit großen Schritten in die Zukunft
Die Firma KHS entwickelt und vertreibt intelligente Abfüllanlagen – auch angepasst an die speziellen Bedürfnisse des Bieres bei der Abfüllung. Sie macht sich für „Industrie 4.0“ stark. Ein Beispiel für viele aus dem Angebot der von KHS vertriebenen Anlagen ist eine Anlage, die den Tragegriff an Gebinde anbringt. Sie ist mit smarten, intelligenten Sensoren ausgestattet, die selbstständig Prozessereignisse zählen können. Sie können die Geschwindigkeit der am Sensor vorbeifahrenden Produkte messen. Ihre Intelligenz liegt darin, dass sie selbst mit der Anlagensteuerung interagieren können. Dadurch werden die Effizienz, Produktivität und die Bedienerfreundlichkeit der Anlage gesteigert und Kosten gesenkt. Hinter dem Gedanken von Industrie 4.0 steht der Begriff der „Smart Factory“, wo sich Produktionsanlagen logistisch weitgehend ohne menschlichen Eingriff selbst organisieren und steuern. So wird eine Kommunikation beipielsweise zwischen dem Werkstück, das Informationen über sich selbst auf einem RFID-Chip mitbringt, und der Anlage möglich. Oder die Sensoren vermessen, berechnen und steuern hiermit als Rückmeldung an den Rest der Anlage die weiteren Prozesse selbstständig. Die Anlagen erfüllen damit das Kriterium der MES-Steuerung, bei dem ein noch höherer Grad der Prozessautomatisierung erreicht wird. Führung, Lenkung, Steuerung und Kontrolle der Produktion wird in Echtzeit möglich. für das Brauereiwesen wurde hier eine Anlage in Zusammenarbeit mit einer Bitburger Brauerei entwickelt.
Um das Service-Spektrum abzurunden, ist die iOS-basierte App „KHS everywhere“ erhältlich, mit der der Kunde die aktuellen Produktionsdaten all‘ seiner KHS-Maschinen von überall auf der Welt und zu jeder Zeit abrufen kann. So hat er in Echtzeit aktuelle Informationen über die Produktion, sei es im Werk, bei einer Besprechung oder unterwegs. Eine weitere iOS App, „KHS comptence“, bietet dem Kunden Zugang zum digitalen Kundenmagazin von KHS.