Auf der Suche nach neuen Bieren verschlug es mich auf der BraukunstLive 2017 in München an den Stand der Heubacher Brauerei. Ein familien geführtes, mittelständisches Unternehmen, mit reicher Historie und direkt aus dem Herzen des schönen Schwabenlandes. Ausgestattet mit einer großen Anzahl klassischer Bierstile, vom Kristall Weizen bis zum dunklen Bock – das klingt doch vielversprechend. Aber Hand aufs Herz und bei aller Liebe zur Tradition: Auf die BraukunstLive geht man jetzt nicht unbedingt für ein „solides Helles“. Doch die findigen Schwaben haben sich marketing technisch gut aufgestellt und den Trend der Zeit erkannt: die „brauKunst“ Editionen bilden eine Art Spielwiese für Braumeister und Gesellen, denn bei den limitierten Auflagen darf sich das Team an kreativen Rezepten und Lagertechniken versuchen. Eine erfahrene Brauermannschaft mit solchen Möglichkeiten, das klingt nach einer günstigen Konstellation am Bier Firmament. Ein nettes Gespräch mit dem Braumeister, quasi unter Fachleuten, begleitet die bunte Tour durch die Heubacher Biervielseitigkeit. Und dann schob sich so langsam das 500er in den Aufmerksamkeitsfokus. Altbierhefe, soso… da horcht man als gebürtiger Düsseldorfer natürlich auf. Das müsste man mal probieren. Also Flasche geköpft und vom Braumeister die Geschichte erzählen lassen.
Dem aufgeklärten Gerstensaft Liebhaber ist das 500-jährige Jubiläum des bayerischen Reinheitsgebotes von 1516 gewiss noch eine bierselige Erinnerung wert. Auch das Brauteam der Heubacher Brauerei wollte diesem besonderen Jahr eine flüssig gewordene Wertschätzung kredenzen. Der besondere Kniff: die exotische (weil eigentlich in Düsseldorf ansässige) Altbierhefe, die sich als obergäriger Stamm normalerweise bei Temperaturen um die 17°C wohl fühlt, wird im Lagerkeller quasi auf Eis gelegt und darf bei 0°C für ganze 500 Tage vor sich hin stoffwechseln. Alles sehr, sehr gemäß. Kein Stress im Ländle! Da entwickeln sich natürlich spannende Aromen. So spannend, dass nach Angabe des Geschäftsführers Alexander Caliz immer häufiger gezwickelt wurde, je näher der finale Reifetag kam. Blöd für das einfache Kundenvolk, denn jetzt ist weniger übrig von dieser limitierten Sonderedition. Und bei Gott, das lange Warten hat sich gelohnt. So eine rheinische Frohnatur wie die Altbierhefe neigt ja von Natur aus schon zu kuriosen Aromaprofilen, vollgestopft mit Estern und anderen aromatischen Verbindungen, die dem puristischen Pils Trinker aus dem hohen Norden nur ein skeptisches Kopfschütteln entlocken könnten. Doch wer denkt, er könnte in Sachen Biergenuss nichtmehr überrascht werden (so wie es mir bis zu diesem denkwürdigen Moment ergangen war), solle hiermit eines Besseren belehret sein. Deshalb haben wir für euch auch gleich ein paar Kästen mitgenommen.
Aussehen:
Natürlich wurde das Erzeugnis daheim nochmal verkostet. Man will bei Bierhandwerk ja auf Nummer sicher gehen, wir sind schließlich Profis! In der heimischen Verkoster Runde ergafften sich die glücklichen Beteiligten dann bereits an der schönen Farbe. Künstlerisch ausschweifend verloren wir uns in den feinen Nuancen zwischen Kastanienbraun und Kupferrot, bis schließlich der Begriff „Mahagoni“ fiel. Ein verwirrter Blick meinerseits und der dringende Impuls, den Farbton mal schnell bei google zu analysieren, manifestierte sich gedanklich. Mir wäre dieser Einfall jedenfalls nicht gekommen. Natürlich kam auch irgendwann der Ausdruck „Bernstein“ auf den Tisch und jeder weitere Kommentar wurde mit einem schnörkellosen „steht ja sogar auf der Flasche“ quittiert. Potz Blitz. Was soll man dazu noch sagen. Das in dem Fall weibliche Verkoster Auge scheint sich mit dem Brauerteam von Heubach farbtechnisch jedenfalls einig zu sein. Quasi auf einer Wellenlänge. Haha.
Zu dem Schaum kann ich an dieser Stelle leider nichts mehr schreiben, da sich die Farbdiskussion über einen Zeithorizont erstreckt hatte, der selbst bei hochwertigem Montageschaum einem Todesurteil gleichgekommen wäre. War aber mit Sicherheit erz stabil!
Aroma/Geschmack
Na endlich, der eigentliche Knackpunkt der ganzen Geschichte: Was haben wir denn hier jetzt konkret im Glas. „Erdbeere“ stand auf der Schiefertafel am Heubacher Stand. „Ja klar, …“ dachte ich mir zuerst. „…wieder jemand der mit an den Haaren herbeigezogenen Aromanuancen versucht, die Leute von seinem Bier zu überzeugen…“. Man möge mir meine jugendliche Überheblichkeit vergeben. Dieses Bier ist nach Reinheitsgebot gebraut und trotzdem kann ich mich nicht erinnern, selbst bei aromatisierten Bieren aus Übersee schon mal eine so intensive Fruchtnote erlebt zu haben. Vor allem Erdbeere… das ist jetzt nicht unbedingt der Klassiker im Aroma Rad der Bier Gustation. Wer sich bei Bierverkostungen nicht zum Deppen machen will, tendiert zu Klassikern wie „blumig“, „grasig“, bei den neuen Hopfensorten darf auch gerne mal eine „Maracuja“ eingeworfen werden. Man muss nicht unbedingt recht haben, aber so weit weg vom Schuss wird man auch nicht sein. Wer aber die Erdbeere in die Runde wirft… nun… der kann im besten Fall mit skeptischen Blicken rechnen. Bei diesem Bier gilt das nicht. Erdbeere durch und durch, wie das Schild es versprochen hat. Wunderbar flankiert von weichen Karamell und Malzaromen.
Und fast noch besser: Der Antrunk. Viele aromatische Biere enttäuschen auf der Zunge ein wenig, weil ein zu dünner Körper oder eine zu dominante Bittere die ganzen tollen Aromen aus der Nase relativiert. Dieses Bier hier kann alles. Ein vollmundiger, süßer Antrunk, ohne dabei pappig zu wirken. Leichte Noten von Dörrobst und Mandeln. Alles umspielt von einer subtilen Bittere, gefolgt von einem warmen Abgang, der den Trinker daran erinnert, dass dieses Bier immerhin 6,8% innehat. Toll. Wundervoll. Eine Offenbarung. Ich hatte den Verkosterbogen gerade fertig ausgefüllt, da zitierte einer der Trinkpartner das Rückenetikett der Flasche. Tatsächlich weist meine Beschreibung eine gewisse Schnittmenge mit der von der Brauerei gewählten Formulierung auf. Wer mir aber nicht glaubt, dass diese Worte von mir stammen, möge es selbst probieren. An diesem Aromaprofil kommt man eigentlich nicht vorbei.
Hintergrund:
Dieses eher kuriose Brauprodukt eindeutig zu klassifizieren ist nicht ohne weiteres möglich. Natürlich könnte ich jetzt anfangen was über Altbier zu schreiben, doch ist mir dieses Thema einen eigenen Artikel wert. Nehmen wir es einfach mal als obergärige Starkbierspezialität hin. Ja, so mancher DLG Verkoster würde hier wohl ein Aroma erkennen, das so nicht dahin gehört. Bei einer solch unorthodoxen Lagerung bestand der Sinn und Zweck aber ja genau in der Bildung ungewöhnlicher Aromen, im Prinzip also alles im Soll. Für mich stellt dieses Bier ein wunderbares Beispiel für kreative, handwerkliche Braukunst dar. Das wahrscheinlich beste Bier, das ich die letzten Jahre probieren durfte. Ich verneige mich vor der Heubacher Brauerei.